Veröffentlicht am: 05. April 2025
Am vergangenen Wochenende besuchte ich seit langem wieder einmal einen Coaching-Workshop – diesmal, um meine eigene persönliche Weiterentwicklung aufzumöbeln und nicht, um meine Klienten weiterzubringen – nicht direkt zumindest. In letzter Zeit hatten sich mehrere Blockaden in mir verfestigt – mental, meine berufliche Situation betreffend, und auch körperlich, was sich seit Monaten als schmerzhaftes Ziehen in meinem linken Bein zeigte. Aus diesem Grund kam der Workshop mit dem Titel „Lebensteppich“ zur richtigen Zeit – besser spät als gar nicht.
Die Altersspanne der Teilnehmenden belief sich zwischen Ende 30 und Mitte 60. Es ging darum, auf einem „Teppich aus Papier“ unsere vergangenen und auch zukünftigen Lebensjahre mit bunten Symbolen zu füllen. Dabei sollten wir uns auf das konzentrieren, was uns seit Kindheitstagen an Gutem begleitet und uns schon immer seelisch genährt hat. Wir durften uns Kompetenzen und Ressourcen ins Bewusstsein rufen, die uns durch schwierige Zeiten getragen haben.
Nachdem alle ihr jetziges Lebensalter und die wahrscheinlich längstens zu erwartende Lebensdauer mit einem Pfeil markiert hatten, starrten wir gebannt auf unser Lebenswerk. Zeitgleich stellten wir anhand der vor uns ausgebreiteten und prall gefüllten Papierfläche eindrucksvoll fest, wie viel kostbare Lebenszeit statistisch - nach wahrscheinlichem Renteneintritt bis zu dem anzunehmenden Lebensende - noch übrigblieb, in der frohen Hoffnung auf eine gute körperliche und mentale Verfassung, versteht sich. Da war im Vergleich zur zurückliegenden Zeitspanne noch ganz schön viel Papier übrig, das es künftig möglichst sinnvoll zu füllen galt.
Eine nachdenkliche Pause stellte sich ein, begleitet durch Seufzer und teils schwere Atemgeräusche, die größtenteils aus meiner Richtung kamen. Fällt es den anderen auch so schwer, über die Endlichkeit des Lebens nachzudenken? Diese und andere Fragen poppten in mir auf. Scheinbar nicht, denn ich hörte Sätze von einer Frau im Raum, die offensichtlich bereits ihren Frieden damit – mit ihrem Ableben - gemacht hatte: „In erfüllten Momenten habe ich gedacht: Jetzt wäre es schön zu gehen“ – bewundernswert.
Wie kann ich das auch schaffen? Im selben Moment verpflichtete ich mich, künftig gezielt an einer besseren Einstellung zu den Themen „Sterben und Tod“ zu arbeiten, und nahm das als erste große Erkenntnis aus diesem Workshop mit.
Eine Teilnehmerin durchbrach erneut die Stille und erhob das Wort: „Also in Anbetracht der vielen schlimmen Vorfälle und Krisen, die sich aktuell im Äußeren zeigen, möchte ich eigentlich gar nicht mehr so lange in dieser Welt leben.“
Damit traf sie mich mitten ins Mark. Genau dieser Schmerzpunkt hatte mich am Morgen, beim Lesen der Samstagszeitung, mit großem Kummer und Besorgnis erfüllt. Vor allem seit Beginn des Übergriffs auf die Ukraine, und spätestens seit dem Ausgang der US-Wahl, stelle ich fest, wie öffentliche digitale und analoge Unehrlichkeit, Fake-Identitäten, die Toleranz zum Einsatz von Waffengewalt und emotionale Eiseskälte immer „salonfähiger“ zu werden scheinen und im Gegenzug friedfertig eingestellte, klimaengagierte und zivilcouragierte Aktivisten zunehmend öffentlich belächelt oder gar als naiv bemitleidet werden.
Ich versuche immer das große Ganze zu betrachten, informiere mich im Rahmen meiner eigenen Psychohygieneauflagen über politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Zusammenhänge, so dass ich zumindest ein Grundwissen über die wichtigsten Themen habe, um Stammtischparolen entgegenwirken zu können.
Doch angesichts der alltäglichen Hiobs-Angstmach-Botschaften, die aktuell schier pausenlos durch unsere Medien zu strömen scheinen, empfinde ich das zunehmend als herausfordernd. Vor allem die Kriegsrhetorik der inner- und außereuropäischen Machthaber, die völlig losgelöst von Emotionen scheinen, wecken vage Ängste in mir, die ich seit meiner Jugendzeit, längst als „ewig gestern“ tief vergraben hatte.
So ist die jetzige Zeit für optimistische und grundsätzlich vertrauende Menschen, die stets etwas Gutes und Positives in einer Situation zu finden glauben, sehr kräftezehrend. Für mich jedenfalls ist sie das.
Immerhin stelle ich dankbar fest, dass die Erkenntnisse aus den Untiefen, durch die ich in meiner zurückliegenden Phase des Burnouts und den damaligen Angststörungen geschwommen bin, mir heute sehr gut helfen können – ich habe neue Denkmuster, Entspannungsmethoden und Übungen für das Hier und Jetzt gelernt, die mir immer wieder aus der Patsche helfen, wenn sich doch mal ein starkes Angstgefühl hervordrängen möchte.
Nachdem die Antwort der Workshopteilnehmerin einige Sekunden lang in mein Hirn hinein gesickert war, brach es plötzlich aus mir heraus. Vor wenigen Jahren wäre solch verbales Engagement in einer Runde mit einem Dutzend Menschen noch undenkbar für mich und von panikähnlichen Gefühlen, Schwitzen, Aufregung und zittriger Stimme begleitet gewesen, was bestenfalls einen Zweiwortsatz hervorgebracht hätte – ich übertreibe nicht.
Doch zum Glück habe ich mich auch in diesen Situationen üben können, bis ich sie bewältigen konnte. Interessant, was die bewusste Beschäftigung mit psychischen Dauerbaustellen, z.B. mit dem eigenen Selbstwert, so alles an guten Nebeneffekten haben kann… Ich schweife ab…
Also erhob ich das Wort in die Runde, weil ES einfach raus musste:
„Also, ich stelle gerade fest, dass mich total der Ehrgeiz packt.
Wenn Menschen wie wir nach und nach weg sind, die grundsätzlich aufrichtige und gutmeinende Absichten in die Welt tragen, sei es durch therapeutische Arbeit, die Yoga-Philosophie oder indem wir in unserem direkten familiären und beruflichen Umfeld durch Liebe geprägtes Verhalten vorleben und damit Gutes tun….
…wer bleibt da noch übrig, um die Welt wieder freundlicher zu machen?
Deshalb möchte ich schon möglichst lange leben, die Entwicklungen mitbekommen, gegensteuern und versuchen, in meiner kleinen Welt um mich herum für Lichtmomente zu sorgen. Was wäre, wenn das außer uns noch viel mehr Leute in ihrem Umfeld tun würden?“
Keine Ahnung, aus welcher Nische meines Körpers das kam, aber es MUSSTE raus.
Niemand sagte etwas dazu.
Meine alte kindheitsgeprägte Sorge, dass ich als naiv abgetan und belächelt werden könnte, wischte ich umgehend zur Seite. Inmitten dieser empathischen Menschen fühlte ich mich sicher. Ich hatte nichts zu verlieren.
Natürlich ist mir bewusst, dass sich die großen Themen der Weltherrschaft nicht alleine durch eine meditierende und manifestierende Minderheit lösen lassen. Dennoch: Was ist denn besser? Sich angstvoll in Depressivität, Gefühlsstarre oder moderne Suchtmittel zu flüchten oder als „naive Weltretterin“ abgetan und deswegen möglicherweise belächelt zu werden?
Am Ende des Workshoptages erhielt ich meine Bestätigung: ein männlicher Teilnehmer griff meine These auf und gab mir in allem recht. Stolz und Hoffnung erfüllten mich – schon allein deshalb war der Workshop ein Erfolg, neben zahlreichen anderen Aha-Momenten.
Erfahrungsgemäß stellt sich die Wirkung von Veranstaltungen, in denen es um tiefe persönliche Reifungsprozesse geht, erst einige Tage später oder gar Wochen ein: sie zeigt sich unvermittelt im Alltag durch neue Erkenntnisse oder in überraschenden Entscheidungen, die durch unbewusst gelöste Blockaden plötzlich auf der Hand liegen. Manches Schwere fühlt sich plötzlich irgendwie leichter an.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, packte ich - bevor das Aber wieder zu laut wurde - meine Laufschuhe und startete endlich meine lange geplante Laufrunde durch den Wald. Der Hauch einer Anfangseuphorie breitete sich aus. Während sich der Schmerz in meinem Bein milder gestaltete als befürchtet, schienen die wirren und teils sorgenvollen Gedanken geradewegs durch meinen Körper abzufließen. Stattdessen füllten sich meine Hirnwindungen nach und nach mit den Bildern und Sätzen aus dem Workshop am Vortag.
Unvermittelt kamen mir zwei neue Absichten:
(1) meine berufliche Situation wieder mit der „Brille der Vorteile“ zu betrachten, mir und meinen Empfindungen treu zu bleiben und damit möglichst viel Gutes vorzuleben, ohne zu belehren.
(2) diesen Artikel zu schreiben und damit andere zu ermuntern, den Blick in ihrem Alltag, bei frustrierten Kollegen, hochbelasteten Vorgesetzten, suchtgebeutelten Bekannten oder gefühlstauben Verwandten auf etwas Gutes zu richten, um so in ihrem eigenen Umfeld Optimismus, Helligkeit und Wärme zu streuen.
In der Zwischenzeit werde ich denen, die belächeln, ins Gesicht lächeln und meinen unerschütterlichen Glauben an das Gute, an eine überirdische Führung, an die Kraft der kollektiven Überzeugung, Resonanz, Manifestation und an die positive Psychologie stärken: Umso mehr würde es mir tatsächlich gefallen, wenn ich noch lange am Leben bleiben, dem Negativstrom etwas entgegnen und meinen Mini-Teil dazu beitragen könnte, bis ich spüre, dass die Welt von innen nach außen gefühlvoller geworden ist und wieder heller strahlt.
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Wenn Du die Geschichte hinter meinem Gesicht erfahren möchtest: "Wer leben will, muss fühlen"