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So rockst du deinen Novemberblues – 14 erprobte Strategien

„Ich-bin-sowas-von-genervt!!!!“ Eine grell neon-erleuchtete Halle, gut zwanzig überdrehte Kleinkinder. Ein Dutzend Frauen mittleren Alters, aufgescheucht wie flatternde Hennen. Ihre Gesichtsmimik und der Körperausdruck zeugen von unterdrückter Anspannung bis hin zu kompletter Überforderung. Ihre Sprösslinge verursachen ein ohrenbetäubendes Lärmgemisch – von süßem Kinderlachen weit entfernt – und machen diesen erbarmungslos lauten Resonanzraum zu dem, was er ist… zu einer HALL-e. Heißt dieser Zweckraum vielleicht deshalb so?

Spitzes Geschrei durchdringt mich in unregelmäßigen Abständen, als ob mir jemand einen Zahnstocher durch die Ohren in mein Hirn treiben würde. Aus geschulter Augenwinkelperspektive einer Vollblutmama sehe ich meinen Zweijährigen und den Vierjährigen über eine Bank balancieren. Kurz den Atem anhaltend, lächle ich träge in ihre Richtung und vertraue dabei ihrer Körperspannung.

Ich erhasche einen Blick auf die langgezogenen Fenster aus Glasbausteinen. Es ist stockdunkel draußen. Hoffnungsvoll wandern meine Augen zur Wanduhr. Waaas???!!!? Erst kurz nach 16 Uhr???!?

Vor einer gefühlten Ewigkeit haben wir die klinikeigene Halle betreten, rechtzeitig zum Schutz vor Wind, Regen und der eintretenden Dämmerung… um 15.30 Uhr!!! Selbst als Süddeutsche auf Mutter-Kind-Kur weiß ich, dass es auf einer Insel im hohen Norden im November früher dunkel wird als in der Heimat. Doch dieses Phänomen nun so deutlich zu spüren, entzieht mir kurzzeitig den Linoleumboden unter meinen sockigen Eisfüßen…

Wie lange dauert es nochmal bis zum Abendessen? Zwei (!) lange Stunden, 120mal (!) „Klack“, wenn sich der Zeiger um einen Strich weiterbewegt? Und dann? Nochmal zwei Stunden, bis ich – wenn alles nach Plan läuft – endlich Zeit für mich selbst habe??!?

Zeitsprung… Diese Begebenheit fand vor 14 Jahren statt. Und doch ist sie mir jedes Jahr nach der Umstellung auf die Winterzeit von neuem so präsent, als wäre sie gestern gewesen. Meine adoleszenten Jungs wissen im Jahr 2023 durchaus, wie sie sich an solch einem Novembertag beschäftigen, austoben und sich möglichst gut vor Mamas Blicken schützen können. Das bedeutet, dass ich mich heute nicht mehr danach sehnen muss, bis ich endlich ein wenig Zeit und Ruhe für meine eigenen Bedürfnisse finde. Ein Vorteil ist auch, dass ich in den vergangenen fünfzehn Jahren – nicht immer freiwillig – einige Strategien entwickelt und erprobt habe, um den unangenehmen Gefühlen zu entrinnen, die sich einstellen, wenn der Tag gefühlt nur sechs Stunden, dafür die Nacht umso länger dauert.

Manche sprechen von „trüber Herbststimmung“, „Wintermüdigkeit“ oder ganz einfach vom gefürchteten „Novemberblues“… Als Ursachen werden aufgrund des Lichtmangels unter anderem eine erhöhte Produktion des Schlafhormons Melatonin angegeben, während die Ausschüttung unseres Glückshormons Serotonin zurückgefahren wird. Die Folge sind erhöhte Müdigkeit, Antriebsarmut und auch Darmträgheit mit vermehrtem Drang, zu Süßigkeiten zu greifen; eine fatale Kombination, wenn sich unsere Figur bis zum Frühjahr in einem möglichst ästhetischen Rahmen halten soll.

2009 fühlte ich mich oft hilflos und ohnmächtig, gefangen in diesem Gefühl aus Trübsinn, Reizüberempfindlichkeit und Hoffnungsarmut. Heute – 2023 – bin ich um einige Strategien reicher und weiß, wie ich diese herausfordernde dunkle Jahreszeit alltagstauglich und möglichst gut gestimmt bewältigen kann.

Hier sind sie nun, meine 14 eigens erprobten Strategien:

Strategie Nr. 1: Gewöhne dir frühzeitig eine Struktur im Alltag an

Hast du schon einmal diesen regelmäßigen Kreislauf bemerkt, wie sich Zugvögel Ende August auf den Stromkabeln formieren und stets in ähnlicher Weise ihren Weg in wärmere Gefilde antreten? Oder dass deine Katze plötzlich früher nach Hause kommt und tagsüber lieber auf der Couch schläft als stundenlang im Gras vor einem Mäuseloch zu lauern? Eine faszinierende Gabe der Natur.

Auch Menschen haben einen ähnlichen Instinkt, eine naturgegebene Struktur, die sinnvoll an die Jahreszeiten angepasst ist. Leider haben wir oftmals verlernt, auf sie zu achten.

Deshalb lautet meine erste Strategie: Gewöhne dir das komplette Jahr hindurch eine passende Tagesstruktur an, die zu deinen Bedürfnissen passt – sie gibt dir mehr innere Ruhe und trägt dich besser durch dunkle Jahreszeiten wie diese.

Strategie Nr. 2: Starte mit einer ruhigen Morgenroutine

Kennst du das auch? Kaum hast du deinen Wecker zum Schweigen gebracht und die schlafgedimmten Gedanken sortiert, schwingst du dich aus dem Bett. Schnell die Kinder wecken, geschwind Brote schmieren, Obst schnibbeln, kurz einen Kaffee oder Müsli und „schnell, schnell“, …immer wieder dieser getriebene Blick auf die Uhr… Wir rasen wie ferngesteuert zur Arbeit oder zu einem anderen Ort oder befinden uns bereits in unserem Hamsterrad aus Geschirrspüler, Waschmaschine, Spielzeuge aufräumen usw.

Egal, welcher Tätigkeit du morgens nachgehst… Wie oft tust du sie bewusst? Geht es nicht oft den ganzen Tag in ähnlicher Weise weiter? So dass du am Abend erschöpft bist und gar nicht mehr weißt, wie viele unzählige Kleinigkeiten du erledigt hast, die dich zurecht mit Stolz erfüllen dürften?

Mein Tipp: Stehe künftig eine Viertelstunde früher auf, so dass du Hektik vermeiden kannst. Bestenfalls hast du am Vorabend bereits Vesperbrote oder das Frühstück vorbereitet. Nimm dir einige Minuten der Ruhe für dich selbst – möglichst ohne elektronisches Gerät in Griffnähe -, bevor du die Kinder weckst oder die erste Waschmaschine anstellst. Ganz gleich, ob du dir eine Dusche, ein Glas Tee gönnst, deine Haut achtsam eincremst, deine Muskeln dehnst, tiefe Atemzüge nimmst, deine Füße bewusst auf den Boden stellst und dich erdest… Entwickle ein Morgenritual, über das du nicht jeden Morgen von neuem nachdenken musst, sondern es einfach tust. Wenn du dabei noch ein bisschen Dankbarkeit empfinden kannst – perfekt.

Strategie Nr. 3: Vermeide Müll in deinem Essen

Vielleicht gehörst du auch zu den Menschen, die grundsätzlich etwas an ihrer Figur auszusetzen haben und bereits durch eine Odyssee an Ernährungstrends gestrauchelt sind? Mit Zufriedenheit stelle ich fest, dass ich mit 51 Jahren zunehmend Frieden mit meinem Aussehen und Gewicht mache, vor allem seit ich mich erfolgreich in Akzeptanz übe, das Unaufhaltsame nicht aufhalten zu können: ich hatte noch nie Modelmaße und auch keine makellose Haut und werde sie definitiv auch mit 52 nicht mehr bekommen. Punkt. So ist das. Dagegen ankämpfen zu wollen ist die reinste Lebenszeitverschwendung. Und meinem Körper einer gesundheitlich nicht notwendigen „Aufhübsch-Operation“ auszusetzen, verhindert meine Angst davor, dass hinterher alles schlimmer sein könnte als vorher. Und es verbietet meine Demut vor dieser wohlwollenden Schöpferinstanz, welcher ich einen gut funktionierenden Körper zu verdanken habe.

Was mein Ernährungsverhalten betrifft, beschränke ich mich mittlerweile auf die „nicht zu…“-Regel: Nicht zu fett, nicht zu süß, nicht zu viel Fleisch, nicht zu viele Inhaltsstoffe, zu denen ich erst Google befragen muss. Ich bevorzuge: Haferflocken-Porridge mit Blaubeeren, ballaststoffreiches Vollkornbrot, gedünstetes Blechgemüse, unfrittierte Beilagen, Reis-Bowls, Gemüsesuppen, Vollkornnudelaufläufe. Und ich mache mir keinen Kopf, wenn ich doch mal meinem Drang nach fetten Chips nachgegeben habe… (wobei ich zunehmend auf die Linsenvariante scharf bin – schon probiert?). Das Internet quillt über vor pflanzenbasierten, ketogenen, klimafreundlichen Rezepttipps. Versuche, dir daraus deinen eigenen Ernährungstrend zu bauen.

Es stimmt: Mit der frühen Dunkelheit im Herbst wird auch bei mir der Appetit auf Süßes viel deutlicher. Diesen stille ich – als festes Ritual nach dem Mittagessen – durch mehrere Stückchen Schokolade mit mindestens 70 % Kakao oder Mandeln. Ja, klar esse ich auch mal Kuchen, aber höchstens einmal pro Woche. Ich habe es getestet; Zucker gleicht tatsächlich einer Droge: Zucker macht meinen Körper süchtig nach noch mehr Zucker. Tatsächlich! Und heutzutage dürfte sich herumgesprochen haben, dass Zucker fast überall drinsteckt, selbst in vermeintlich gesunden und angeblich zuckerarmen Lebensmitteln. Ein fieser Trick der Süßigkeiten-Lobby…

Wie handhabe ich das? Sobald ich die Inhaltsstoffe nicht mehr zuordnen kann oder zu viele Wörter mit „-ide“ oder „-ose“ abgedruckt sind, lasse ich die Finger davon. Säfte trinke ich nur noch als Schorle.

Das hört sich für dich wie eine Geisel an? Nein! Ganz im Gegenteil: Seit ich mich nicht mehr durch irgendwelche Ernährungsprogramme quäle oder Kalorientabellen befrage, fühle ich mich freier denn je. Und ich spüre die Bedürfnisse meines Körpers viel deutlicher.

Übe dich darin, auf deine inneren Körperimpulse zu achten. Bedeutet der Heißhunger auf Süßes oder Chips vielleicht etwas Anderes? Ablenkung vom Ärger auf deinen Partner oder auf eine Kollegin? Frust über zu wenig Zeit für das Ausleben deiner eigenen Bedürfnisse? Ist der vermeintliche Appetit eher Durst? Probiere es doch mal mit einem Glas Roibuschtee.

Noch ein Tipp, der mir hilft, meine Körperform im Rahmen zu halten: Eine individuell erträgliche Art des Intervallfastens: Ab 18 Uhr möglichst nichts mehr essen. Ich hätte nie gedacht, dass ich mir das angewöhnen kann. Doch es funktioniert!

Strategie Nr. 4: Trinke wie ein Kamel

200 Liter Wasser in nur 15 Minuten – laut Google hält das Kamel den Trinkrekord. Ganz so viel müssen es zwar nicht sein, aber ich trinke definitiv und immer viel zu wenig! Damit meine ich reines, klares WASSER oder Tee! Trotz meiner alljährlichen Januarvorsätze. Ja, mir ist durchaus klar, dass unser erwachsener Körper zu 70% aus Wasser besteht, weshalb es einfach nur logisch ist, immer wieder nachzufüllen, damit unsere Organe ihren Job auch verlässlich machen können.

Deshalb mache ich es kurz: Trinke hauptsächlich Wasser, ungesüßten Früchte- oder Kräutertee (auch grüner Tee und Schwarztee enthält Koffein) und verfeinere es Dir durch unbehandelte Limetten- oder Orangenscheiben, frischen Ingwer oder Zimt. Noch ein heißer Tipp: Nimm vor dem Frühstück ein großes Glas warmes Wasser mit einer frischen Zitrone zu dir und stelle dir eine 1,5-Liter-Flasche sichtbar hin, die bis zum Mittagessen leer sein muss!

Okay, kommen wir nun zu den weit verbreiteten Trink-Lastern: Was vielen nämlich schwerfällt, ist auf Kaffee und auf ein abendliches – gelegentliches – Glas Rotwein zu verzichten. Und dabei schließe ich mich mit ein, obwohl ich weiß, dass das meinen gesunden Schlaf stören könnte oder meine Gliedmaßen innerlich unruhig werden lassen. Vielleicht kennst du dieses alkoholbedingte „Restless-Legs“- Syndrom auch? Was den Alkohol betrifft, so ist es an manchen Abenden all zu verlockend, sich mit einigen Schlucken Wein aus den Reizen und Anstrengungen des Tages herauszoomen zu lassen. Das ist definitiv auch eine meiner „offenen Baustellen“, in Sachen Gesundheit…

Aus diesem Grund versuche ich es mit folgendem Trick: ich gieße Trauben- oder Grapefruitsaft als und prickelndes Kohlensäurewasser als Schorle in ein Weinglas (der Ästhetik wegen) und trinke das in ähnlicher Langsamkeit, wie wenn ich den Wein genießen würde. Meistens funktioniert das.

Als Kaffee-Ersatz kann übrigens Getreidekaffee gute Dienste leisten.

Strategie Nr. 5: Besiege das digitale „Fomo-Biest“

FomoFear of missing out – die Sorge, etwas zu verpassen oder sich zu isolieren, indem wir zu selten online sind… Dieses Thema regiert die Welt – zu jeder Tages- und Nachtzeit. Seit ich in Tansania war, weiß ich: selbst die ärmsten und bedürftigsten Völker sind davon betroffen.

Wir alle packen uns jetzt an die Nase und fühlen uns ertappt… Deshalb kann ich mich mit dieser Empfehlung kurzhalten: Lebe dein Leben live, so oft wie möglich. Kontrolliere dein Konsumverhalten, vor allem all das, was mit Smartphone beginnt und mit Social Media endet.

Ja, das ist so verdammt schwer! Vor allem, wenn unser Langeweile-Shrek, das innere Selbstwertmonster oder das Fomo-Biest die Macht über unser Innerstes übernimmt und wir – statt doch noch in den nächsten Biergarten zu spazieren – uns mit Einbruch der Dunkelheit auf der Couch einigeln. Wir alle haben das Telefon ständig griffbereit. Wir mäkeln gleichzeitig an unseren Mitmenschen herum, dass sie viel zu oft online sind, anstatt sich mit der vollen Aufmerksamkeit uns, den physiologischen Bedürfnissen unserer Kinder oder realen Dingen zu widmen.

In meiner Arbeit mit geistig beeinträchtigten Kindern habe ich gelernt, wie wichtig es ist, jeden einzelnen unserer Körpersinne – Hören, Sehen, Schmecken, Riechen, Tasten und die Körperbalance – immer und immer wieder anzuregen.

Deshalb: Finde für all deine Sinne täglich eine Beschäftigung.

Rieche ein belebendes Duftöl (z.B. Lemongras), bewege eine Kastanie als Handschmeichler in deiner Jackentasche hin und her. Gönne dir deine Lieblingssuppe, lass dich massieren oder verwöhne dich selbst mit einem Igelball. Lege dir einen inspirierenden Podcast oder Musik auf die Ohren, etwas, das dich innerlich zum Schwelgen bringt und schöne Erinnerungsgefühle in dir auslöst. Oder schnapp dir ein Karaoke-Mikro oder Musikinstrument und verfeinere deine musikalischen Fertigkeiten.

Ein Herbstspaziergang im Wald beinhaltet übrigens das Gesamtpaket: Blätterrauschen, der Duft von verwesendem Laub, die Farbvielfalt der Blätter, die unterschiedlichen Untergründe beim Gehen, die Struktur der Baumrinde unter unseren Fingern… und der anschließende Tee mit einem leckeren Keks. That´s it!

Fuesse im Laub Kunsttherapie und Psychotherapie (nach dem Heilpraktikergesetz)

Strategie Nr. 6: Raus mit dir!

 „Die Tür zum Glück geht nach außen auf“, das ist eine der Lieblingsweisheiten meiner Mutter.

Auch wenn ich mittlerweile mir selbst und anderen predige, dass sie möglichst häufig in ihr Innerstes abtauchen und das Äußere ausblenden sollen, um die ersehnte Ruhe und Antworten in sich selbst zu finden, so gebe ich meiner Mutter in gewisser Weise Recht:

Nicht selten habe ich mich aus einer deprimierenden Gedankenspirale gerettet, weil ich einfach mal vor die Türe gegangen bin.

Wie oft habe ich dadurch plötzlich ungeahnte Erfahrungen gemacht, überraschend inspirierende Gespräche mit Fremden geteilt, eine lustige Begebenheit mit einem Eichhörnchen und ein aufmunterndes Lächeln von einem ebenfalls „Flüchtigen“ ernten dürfen?

Häufig kam ich anschließend energiegeladen zurück nach Hause und hatte in der ursprünglich befürchteten Trostlosigkeit eines Regentags plötzlich Lösungen für Probleme gefunden, die mir zuvor gar nicht bewusst waren.

Abgesehen von frischer Luft, ist ein wenig Tageslicht im Freien allemal besser für Körper und Gemüt als die LED-Beleuchtung im Wohnzimmer.

Also: Ziehe dich warm genug an, mache die Haustüre auf und geh nach draußen!

Strategie Nr. 7: Triff ECHTE Menschen

Diese Strategie hängt eng mit der vorherigen zusammen: Triff Menschen!!! Ja, ECHTE Menschen!!! Pflege deine Kontakte, vertiefe Beziehungen, bestehende und auch neue. Und zwar face to face, zum Anfassen, eben REAL!!!

Sei offen und experimentiere: Grüße wildfremde Personen auf der Straße, im Wald, im Supermarkt. Locke sie durch ein Lächeln aus der Reserve.

Vielleicht stecken sie gerade (ebenfalls) im Novemberloch? Verwickle sie in ein Gespräch – aus belanglosen Inhalten wie dem „Schietwetter“ können oftmals überraschend bereichernde Gespräche entstehen. Vielleicht folgt daraus sogar der Wunsch nach Fortsetzung des Gesprächs in einem Café?

Strategie Nr. 8: Bringe deinem Schweinehund das Tanzen bei

Vorhin erwähnte ich das Thema Figur. Früher bin ich regelmäßig durch Wald und Feld gejoggt, bis sich meine Hüfte durch einen pieksenden Schmerz zu sehr bemerkbar machte. Aus der Not heraus entdeckte ich, dass auch – regelmäßig ausgeübte – moderate Bewegung im Alltag ausreicht, um sich ausreichend fit und schlank zu fühlen. Ich bevorzuge daher Rad fahren und schnelles Walken und – ganz wichtig – die Möglichkeit, immer wieder im Alltag ein Stockwerk per Treppe und nicht per Aufzug zu bezwingen.

Dabei erachte ich die Faustregel 10 000 Schritte pro Tag als sinnvoll, auch wenn ich viel zu oft darunterbleibe.

Oder du nimmst den Titel dieses Artikels wörtlich: Rocke, tanze, „schüttele dein Haar“ – mit oder ohne Musik, alleine vor dem Spiegel, in einem Club oder mit deinem oder deiner Liebsten beim lange geplanten Salsa-Kurs. Tanzen ist pure Lebendigkeit mit der Garantie Nummer eins, deinem Stimmungstief ein Schnippchen zu schlagen.

Strategie Nr. 9: Lerne von der Natur

An welchem Ort können wir natürliche Kreisläufe bewusster wahrnehmen als in der Natur vor unserer Haustüre?

Sorgt bei dir die alleinige Tatsache, dass Jahreszeiten mit einer treuen Verlässlichkeit einer Regel folgen, ebenfalls für ein hoffnungsfrohes Gefühl?

Bei mir tut es das. Vor der Fensterfront unseres Wohnzimmers befindet sich ein Zierkirschenbaum.

Dieser ist für mich der Inbegriff eines natürlichen Kreislaufs und dient auf eindrucksvolle Weise als Metapher für meinen eigenen Kreislauf des Lebens, die Vergänglichkeit, das Sterben und die Auferstehung. Ende August, wenn sich die Stare auf den Strommasten sammeln, taucht in mir unvermittelt dieser Hauch von Schwermut auf. Jedes Jahr von Neuem. Völlig unkontrolliert schieben sich dann Verlustgefühle und die verpassten Gelegenheiten auf mein Gemüt.

Zierkirschenbaum herbstlich Kunsttherapie und Psychotherapie (nach dem Heilpraktikergesetz)

Hier wird es Zeit, die folgende Strategie anzuwenden: Ich betrachte ganz bewusst, wie die Blätter ihre Farbe verändern und konzentriere mich auf die Intensität dieses Gesamtkunstwerks, z.B. mit Blick auf die Weinberge in der Ferne.Spätestens dann, wenn der Herbstwind die letzten Blätter des Kirschbaumes abgeblasen hat und ich beim Aufsammeln des Laubes die typisch feuchte Herbstkühle mit einem tiefen Atemzug aufsauge, spätestens dann weiß ich, dass diese Veränderung zu etwas Neuem führen wird. Die Blätter verwesen und werden zu Dünger für neues Leben.

Selbst unter Frost und Schnee wird bereits eine Geburt vorbereitet: der Keim eines neuen Lebens.

Das berührt mich jedes Jahr aufs Neue zutiefst. Deshalb mein Tipp: Mache dir den Kreislauf des Lebens in der Natur bewusst und erinnere dich an Strategie Nr. 6.

Strategie Nr. 10: Lebe deinen spirituellen Anteil

„So ein Spiri-Quatsch“. Hand aufs Herz: wie oft hörst du dich diesen oder einen ähnlichen Satz sagen? Wie steht es eigentlich um deine Spiritualität?

Lebst du sie? Folgst du einer religiösen Tradition?

Falls du nun einen leichten Druck auf deinem Herzen spürst, weil sich schlechtes Gewissen regt… gut so! Mir geht es oft ähnlich: Ich bezeichne mich als spiritueller und religiöser Mensch. In meiner Herkunftsfamilie war der sonntägliche Kirchgang ein Muss. In meinem jetzigen Familienleben besteht diesbezüglich weniger Pflicht als Ermunterung dazu. Dennoch war es mir stets wichtig, meinen Kindern eine Art von Vertrauen in eine höhere Macht mitzugeben. Für Zeiten, in denen sie glauben, den Halt im Leben verloren zu haben und auch sonst niemand greifbar ist.

Auch bin ich fest davon überzeugt, dass wir Menschen ein tiefes Grundbedürfnis nach Spiritualität haben und dieses in irgendeiner Art ausleben sollten:

Ich praktiziere dies deshalb so oft wie möglich und nicht selten ergreift mich hierbei eine überraschende Magie: in einem Gottesdienst (aus jeder Predigt – selbst den alltagsfernsten – lässt sich irgendein ein Hinweis für den Alltag finden), beim Anzünden einer Kerze und simplem Lauschen der Stille in einer leeren Kirche, bei einem klassischen Herbstkonzert, beim Sitzen auf meinem Meditationskissen oder der Yogamatte, versunken in das Geräusch meiner Atmung oder Herzklopfens. In diesen Momenten fühle ich mich sehr verwurzelt, in meinem Glauben, in meiner Spiritualität, in mir selbst.

Strategie Nr. 11: Beame dich in Pausen hinein!

Kommen wir zurück zu etwas Bodenständigem: Gönne dir regelmäßige Pausen!

Ich meine damit: tägliche Mini-Auszeiten… von Menschen, von Medien, von äußeren Einflüssen jeglicher Art.

Was im ersten Moment vielen von uns als unmöglich erscheint, verächtlich weggelächelt und mit einer Handgeste weggewischt wird (à la „dazu habe ich keine Zeit und keine Gelegenheit“) hat sich in meinem Alltag das Einbauen von Pausen als Rettung aus allzu dunklen Gedankenspiralen, aus beängstigenden Gefühlen und überlastenden Stresssituationen herausgestellt.

Beame dich für eine kurze Zeit heraus aus deinem Alltag, gönne dir eine innere Auszeit. Und wenn es nur zwei oder fünf Minuten sind…

Diese sind immer und überall. Egal ob im Büro, mit den Kindern zuhause, im Homeoffice, an einem ungestörten Platz, dem Waschraum, im Bus, einfach immer und überall. Alles andere ist eine Ausrede.

Und wie soll das bei den unzähligen Aufgaben und im Beisein von Mitmenschen funktionieren?

Du musst dabei noch nicht einmal deine Augen schließen – effektiver wäre das jedoch schon. Sitze, stehe, liege. Egal. Konzentriere dich auf deine Füße, auf die Sitzfläche unter deinem Gesäß. Fühle bewusst, erde dich, spüre deinen Atem. Das war´s. Je länger, je besser, klar. Doch egal wie lange, Hauptsache, du tust es.

Strategie Nr. 12: Übe dich im Tierestreicheln

Hast du schon einmal etwas von Tiergestützter Therapie gehört? Oder von einem Bürohund oder Schulhund? Hierzu gibt es bereits einige positiven Erfahrungen in Bezug auf Konzentrationsleistung und Empathieentwicklung innerhalb von Schulklassen sowie interessante Ausbildungen, speziell für Hundebesitzer. Ich bezeichne mich als absolute Tierliebhaberin und habe (fast) alle Tiere gerne, auch Hunde. Doch mein Herz schlägt vor allem für eine bestimmte Spezies: Katzen!

Über meine Liebe zu Katzen könnte ich sicherlich ein Buch füllen, doch der Markt ist meines Erachtens ausreichend gefüllt davon. Seit ich mich erinnere, bin ich in meinem Zuhause von mindestens einer Katze umgeben, mit allem Leid und Schmerz, der über mich gekommen ist, weil eines meiner geliebten tierischen Mitbewohner aufgrund menschlicher Ursache oder aus Altersschwäche über den Regenbogen gegangen ist. Diese Trauer ist ähnlich vernichtend wie der Tod eines guten Freundes. Haustierliebhaber wissen, dass der kurz nach dem Ableben des Tieres ausgesprochene Satz „Das war´s jetzt mit einem Haustier“ meist schon vor Beendigung der Trauerphase wieder vergessen ist.

In unserer Familie wohnen aktuell zwei Katzenpersönlichkeiten, für die sich sogar meine eher rational angehauchten männlichen Familienmitglieder immer wieder zu Gefühlswallungen hinreißen lassen: Wenn der Kater sich mit seinem flauschigen Fellbauch in vollster Pracht und mit lautem Gebrumm vor ihnen ausstreckt. Oder wenn ein Streitgespräch plötzlich unterbrochen wird, weil unsere Katze auf den Schoss hüpft und vehement ihre Streicheleinheiten einfordert. Ich selbst empfinde in diesen Momenten ähnliche Gefühle wie Verliebtsein und bin immer wieder fasziniert, wie sich mein Körper beruhigt, sobald eine Katze in meiner Nähe liegt. Magisch. Und ja: Stressblocker pur.

Natürlich gibt es sehr viele Einwände, auch gesundheitlich bedingte, welche Menschen daran hindern, mit Tieren in Kontakt zu gehen. Ich bin dennoch von den überwiegend gesundheitsfördernden Wirkungsweisen überzeugt.

Vielleicht gibt es ja im Bekanntenkreis Tierbesitzer, die froh sind, wenn sie dir ab und zu die Gassi-Runde mit ihrem „Sammy“ oder „Bruno“ überlassen können? Das würde übrigens auch zur Durchführung der Strategie Nr. 5 bis 9 anregen.

Oder gibt es in deiner Nähe vielleicht ein Tierheim mit bedürftigen Vierbeinern, die auch nur mal zum Streicheln besucht werden können?

Aber Achtung: überlege dir vorher gut, warum du bisher kein Haustier wolltest, denn deine Sinne könnten im Angesicht einer Schmusekatze durchaus vernebelt sein…

Strategie Nr. 13: Vermeide „Wegbeamen durch Streamen“

Wie viele Sekunden dauert es, bis wir zu unserem Smartphone greifen, sobald es in unserem Blickfeld liegt?

Wie viele Gedanken verwenden wir am Abend für die Entscheidung, dass wir, anstatt ein Gerät mit Bildschirm einzuschalten, auch mal etwas Anderes tun könnten?

Tun wir das bei vollem Bewusstsein? Nein, sicher nicht.

Denn wenn es draußen so früh dunkel wird und wir erschöpft sind, wollen wir vor allem eines tun: den Kopf ausschalten und uns keine Gedanken machen müssen. Dabei helfen uns Gewohnheiten und Rituale, die wir uns im Laufe der Zeit angewöhnt haben oder sich über die Jahre eingeschlichen haben. Ihnen zu folgen spart Energie, die wir bereits für die Aufgaben unseres Alltags verbraucht haben.

Rituale und Gewohnheiten geben uns Ruhe und Sicherheit.

Doch Achtung: nur wenn es die individuell richtigen für uns sind. Je gesünder umso nachhaltiger. Ein Glas Wein gibt uns zwar eine kurzzeitige Beruhigung, jedoch vielleicht auf Kosten eines entspannten Schlafs.

Die nächste Folge unserer aktuellen Streamingserie lässt uns abtauchen, bringt uns zum Lachen oder Schwärmen, weckt und stillt gleichzeitig Sehnsüchte oder inspiriert uns. Dagegen ist ja nichts einzuwenden. Doch manchmal weckt sie auch Angstgefühle, triggert eine verdrängte oder versteckte Situation in uns, lässt uns weinen oder wühlt uns innerlich auf – so dass wir zwar vielleicht noch aus Erschöpfung einschlafen, dann aber plötzlich mitten in der Nacht durch einen erschreckenden Traumfetzen aufwachen und ein Gedankenkarussell in Gang setzen.

Hier schlage ich dir zwei meiner begehrtesten Alternativen zum Konsumieren von Bildschirminhalten vor:

Erstens: Besorge dir ein ästhetisch ansprechendes Buch oder Heft mit Blanko-Seiten (Journaling-Angebote gibt es aktuell en masse). Setze dich an deinen ruhigsten Lieblingsort und schreibe auf, was dir aktuell in den Sinn kommt. Was war heute los? Wie geht es mir im Moment? Dabei ist es völlig egal, ob die Worte richtig, die Sätze zusammenhängend oder gar poetisch anspruchsvoll geschrieben sind. Wenn dir zu Anfang nichts einfällt, dann schreibe erst einmal, wo du in diesem Moment sitzt oder was du direkt vor Augen hast. Das ist ein Trick, denn meistens lösen sich danach die Gedanken von selbst und lassen los…direkt auf das Papier. Sei gespannt und neugierig, welche Überraschungen dein Unterbewusstsein für dich bereithält. Das Einzige was zählt, ist das Ventil. Lass die Worte durch den Stift fließen. Mittlerweile gibt es sogar Kurse im sog. Heilsamen Schreiben.

herbstwald bunt 1 Kunsttherapie und Psychotherapie (nach dem Heilpraktikergesetz)

Zweitens: Als Kunsttherapeutin empfehle ich – aus eigener Erfahrung – ein ähnliches Ritual: das Maltagebuch. Das liegt aktuell sogar im Trend und ist unter Art Journaling bekannt. Hier verwendest du anstatt eines Kugelschreibers zum Beispiel Flüssigfarben, Pastellkreiden, Buntstifte, Textmarker, Aquarellpinsel und Fasermaler oder eben das, was du z.B. für deinen letzten Kreativitätsschub im Discounter gekauft oder von deinen Kindern im Haus herumliegen hast. Ein leeres Blatt mag dich vielleicht zunächst abschrecken.

Tipp: Setze dir entspannende Musik auf die Ohren (auf der Plattform meiner Wahl ist das z.B. die Playlist „Maximale Konzentration“ oder „Piano Covers“), nimm in jede Hand eine Pastellkreide, schließe deine Augen und bewege deine Finger im Fluss der Musik über das Papier.

Manchmal wirst du erstaunt sein, was sich zwischen Kringeln, Kritzelkratzel oder Farbflecken zeigt. Wenn du willst, arbeite das Entstandene noch mit Hilfe von Stiften detaillierter heraus. Auch für diese Methode gibt es Angebote, die z.B. unter Namen wie Intuitives Malen oder Heilsames Malen bekannt sind.

Strategie Nr. 14: Jeder gute Abend steht vor einem neuen Morgen

Kommen wir zur letzten Strategie, die für mich mittlerweile unerlässlich ist:

Ziehe dir am Abend keine Nachrichten rein! Ja. Die Welt ist voller Leid und Elend, das war schon immer so. Was sich jedoch verändert hat, ist die Omnipräsenz in den Medien und damit die Frequenz und die Wucht, mit der erschreckende und mitunter traumatisierende Bilder in unser Zuhause gespült werden. Dies ist keine Aufforderung zum „Verschließe die Augen vor der Realität, igele dich ein und halte alle Nachrichten fern von dir“ – oh nein! Dennoch werden die Gräueltaten, auf die wir alleine keinen Einfluss nehmen können, leider nicht weniger, wenn wir uns von Nachricht zu Nachricht aus der Balance bringen lassen. Das schwächt uns und unsere Mitmenschen. Die Folge: auch die Stimmung innerhalb unserer Familien verschlechtert sich.

Mit jedem Weitergeben und Wiederholen der Negativnachricht beschäftigen wir uns gedanklich erneut mit schier unerträglichen oder belastenden Inhalten und schwächen uns gegenseitig…

Laut eines Artikels des Redaktionsnetzwerks Deutschland (vom 9. März 2023) werden die Angststörungen im Vergleich zu anderen psychischen Erkrankungen mit dem stärksten Anstieg hervorgehoben, mit 39 Prozent Zuwachs gegenüber 2021.

Auch ich besitze seit meinen Kindheitstagen eine gewisse Vulnerabilität gegenüber intensiven Angstgefühlen. Damit ich mich davon nicht überrollen lasse und gleichzeitig im Weltgeschehen auf dem Laufenden bleibe, habe ich mir die folgende Strategie angewöhnt, die ich hier mit dir teile:

Informiere dich kurz (!) durch ein Medium deiner Wahl über aktuelle Themen. Bei mir ist das die Regionalzeitung am Morgen, im Anschluss an das Frühstück (wenn mein Hirn noch einigermaßen erholt ist), in der ich auch manchmal nur die Überschriften und ein paar Aufhänger-Inhalte überfliege. Mittlerweile verfüge ich dabei über eine Art Scannerblick, der die schrecklichsten Bilder ignorieren lässt, damit sie mich nicht über Stunden oder gar Tage belasten und lähmen. In Phasen schlimmster Ereignisse wie z.B. Beginn der Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen, entscheide ich mich sogar dazu, gar keine Zeitung oder nur den Regionalteil zu lesen.

Ich bestimme meine Dosis selbst, ohne das Gefühl zu haben, nicht ausreichend über die deutsche Politik oder das Weltgeschehen informiert zu sein. Dabei bin ich immer wieder überrascht, was ich dennoch alles mitbekomme, obwohl ich meine Pushnachrichten und oft auch das Autoradio ausgeschaltet lasse.

Als weitere förderliche Abendroutine empfehle ich außerdem: Nicht zu spät und nicht zu fett essen,
Schreiben oder Malen statt Streamen (siehe Strategie Nr. 13), ruhige Musik auf die Ohren, ein entspannendes Buch an deinem Lieblingsplatz, Tee statt Alkohol.

Und last not least: Geh mit den Hennen schlafen!

Passe dich unseren tierischen Vorbildern an. Mit etwas Übung wirst du sicher immer öfter bemerken, was dein Körper dir sagt. Erfahrungsgemäß erhöht sich mit der frühen Dunkelheit auch unser Schlafbedürfnis: Gib dich diesem ganz und gar hin und gehe einfach mal früher ins Bett.

Und dann?

Beginne wieder mit Strategie Nummer 1. Und übe dich durch Wiederholung.

Somit rockst du nicht nur deinen Novemberblues, sondern übernimmst die Kontrolle über dein komplettes Stimmungsorchester!

Renate Schmitt 
Heilpraktikerin für Psychotherapie, Kunsttherapeutin und Sonderpädagogin 
November 2023
 
Titelbild: freepik.com

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