IMG 20231210 170245 Kunsttherapie und Psychotherapie (nach dem Heilpraktikergesetz)

Wunschlos DANKBAR!? – So gewinnst du mehr Achtsamkeit in der Vorweihnachtszeit

„Christmas is coming…“ – „Frau Wurz, bitte zur Selbstscannerkasse, Frau Wurz bitte.“ „…put a penny in the old man´s hat“…

Noch knapp drei Wochen bis Heilig Abend. Meine ritualisierten Adventsmachenschaften habe ich fast stressfrei hinter mich gebracht. Dabei bin ich wieder einmal meinem seltsamen Drang erlegen, den Adventskranz selbst zu binden und die Tannenlichter für draußen – mit scheinbar immer kürzer werdenden Armen, schmerzendem Nacken und Eisfingern – eigenhändig anzubringen. Zwei Bausätze von Nachbildungen architektonischer Meisterwerke verteilte ich am Vorabend des 1. Dezember akribisch auf 2 mal 24 Säckchen und versteckte die ersten Vanillekipferl und Schocklies in Boxen, um sie vor allzu gierigen Fingern zu schützen.

Seit Mitte November predige ich mir den Vorsatz, in der Weihnachtszeit 2023 mit weniger Perfektionismus und ohne dieses unangenehme Druckgefühl im Kopf und Bauch auskommen zu wollen. Diesen habe ich auch diesmal wieder eigenhändig ausgehebelt. Sei´s drum.

Nichtsdestotrotz befinde ich mich jetzt in der privilegierten Lage, zur Mittagszeit an einem Tisch vor einer kleinen Bäckereiverkaufstheke zu sitzen und mir einen Cappuccino und ein belegtes Frischkäselaugeneck gönnen zu können.

Der empörte Satz meines ältesten Sohnes hat mich heute hier in den Baumarkt geführt: „Mama, die Lichterpyramide auf dem Klavier fehlt!!“ In jenem Moment ist mir wieder eingefallen, dass das Ding aus den letzten Jahren ihr gesegnetes Ende beim Elektroschrott des Recyclinghofs gefunden hatte.

Mein Hang zu traditionslastigem Verhalten und das Unvermögen, meinem Sohn diesen gewohnten Anblick der sieben künstlichen Kerzen vorzuenthalten, sind also für diesen Mittagstrip verantwortlich. Glücklicherweise war ich schon erfolgreich: Ich konnte aus dem untersten Regal noch eine der begehrten Pyramiden hervorfischen, für die ich mit Hilfe von Frau Wurz – bei den Selbstscannerkassen – mein Geld loswurde.

Gedankenverloren beiße ich in mein Laugeneck. Links neben mir von der Bäckereitheke kommend, höre ich eine Stimme, die zweifelsfrei einem sehr betagten Mann gehört. Ich drehe meine Augen zu der Person und entdecke einen großen, weißhaarigen Mann mit langen Haarflusen, die ungekämmt über einem glänzenden Oberhaupt liegen. Seine zitternde Hand umklammert einen Gehstock, seine beige-graue Stoffhose wirkt zu groß. Alles in allem bietet er eine eher ungepflegte Erscheinung, die mich plötzlich innerlich berührt.

Ich will nicht zu neugierig wirken, also beschränke ich meine Aufmerksamkeit auf das Lauschen.

„Bitte eines von diesen Stücken“ weist er die Verkäuferin an und zeigt dabei mit einem knöchrigen Finger auf den Inhalt der Auslage. Ich vermute, dass damit ein süßes Teilchen für einen seelenwärmenden Nachmittagskaffee gemeint ist, das nun in einer Papiertüte verschwindet. Ich erhasche einen flüchtigen Blick und spanne meine Ohrmuschel weiter an.

Aus dem Mund der freundlichen Bäckereifachangestellten höre ich nun den automatisiert klingenden Satz, den sie garantiert heute schon hundertfach ausgesprochen hatte: 

„Haben Sie sonst noch einen WUNSCH????“

Der alte Mann zögert.

Dann entgegnet er:

„Ja…., viele…………., viele………….., VIELE…“

Ich höre ihn schwer ausatmen. Nach einer Pause bricht das Ungemach aus ihm heraus:

„Wissen Sie…meine Frau…sie ist…zuhause…sehr krank……“

Sein Blick senkt sich: „Ja, so ist das eben.“

Die Frau hinter der Theke hält inne, schaut ihr Gegenüber verunsichert an und nickt mit einem bedauernden „Hmmmmm…“ – zweifelsfrei mitfühlend.

Die Situation SCHREIT LAUT… nach so viel mehr: einem zweiten oder dritten Ohr, einem mitfühlenden Gespräch, einer Aufforderung meinerseits wie „Wollen Sie sich einen Moment setzen? Trinken wir einen Tee zusammen?“ Doch das alles verpufft in diesem viel zu flüchtigen Überraschungsmoment.

Stattdessen nimmt die Frau den Geldschein entgegen und wendet sich gezwungenermaßen der Kasse zu. Gedankenverloren verstaut der alte Mann das Wechselgeld in seiner Geldbörse.

Nun kann ich meinen Blick nicht mehr abwenden.

Im Gehen dreht ER mir den Rücken zu. Das letzte, was mir im Gedächtnis bleiben wird, ist seine zitternde Hand auf dem Gehstock…

Plötzlich werde ich überwältigt von zärtlich anmutenden Gefühlen, für einen mir völlig fremden betagten Herrn, aus dessen Auftreten so viel Traurigkeit und Einsamkeit sprachen.

Hat mein Cappuccino vorhin auch schon so bitter geschmeckt?

Ich lehne mich auf dem harten Holzstuhl zurück, atme tief aus und versuche, die soeben erlebte Situation einzuordnen:

Wie sieht es eigentlich in meinem Leben mit WÜNSCHEN aus? In meinen Gedanken taucht die für den Heiligen Abend zu erwartende WUNSCHLISTE meiner Söhne auf, an die ich bereits mehrfach erinnert und mit Augenzwinkern laut kommentiert hatte: „Aha, dann seid ihr also WUNSCHLOS glücklich??!“ Sicherlich werden wieder materielle Dinge auf dem Papier bzw. einem digitalen Schriftfeld meines Smartphones auftauchen – mangels echter Bedürftigkeiten.

Zeichen der Zeit, natürlich… doch zweifelsohne ein privilegierter Zustand…

Ich gehe meine eigenen WÜNSCHE durch, die von Lebensjahr zu Lebensjahr weit weniger das aufzeigen, was unter dem Christbaum liegen und ausgepackt werden kann: ein gesunder und fitter Körper, Zeit für Reisen, gemeinsame Erlebnisse und Zusammensein mit meinen Lieblingsmenschen, harmonisch verlaufende und verbindende Gespräche, Raum für tiefe Gefühle (ja, auch die unangenehmen!) und gegenseitiges Mit-Fühlen, ein achtsames Miteinander, ganz viel gemeinsames Lachen, und vor allem spürbare LIEBE. Leider fügt sich heute ein weiterer Wunsch dazu, den ich bis vor zwei Jahren nur von den „Stop the war“-Aufklebern der 80er-Jahre kannte: FRIEDEN innerhalb der Menschheit.

Plötzlich durchströmt mich eine unendliche Dankbarkeit: JETZT UND HIER bin ich in einem Raum voller Frieden. JETZT UND HIER verfüge ich – Gott-sei-Dank – über einen gesunden Körper und Geist und bin somit fähig, mich gleich ins Auto zu setzen und nach Hause zu fahren, wo mich zwar viel Arbeit, Verpflichtung und die ausgesprochene Erwartung mehrerer Menschen gleichzeitig erwarten; doch dort ist vor allem eines: pure Lebendigkeit!! Ich freue mich bereits auf das Lächeln und den spontanen Ausruf meines Sohnes: „Toll, dass wir wieder eine Lichterpyramide haben!“

Dieses Gefühl der Dankbarkeit habe ich der unvermittelten Fast-Begegnung mit diesem älteren Herrn zu verdanken. Ohne meine bewusste Entscheidung, mir eine Pause zu gönnen und bewusst inne zu halten, hätte ich sie nicht wahrnehmen können. Wie schade wäre das gewesen…

Und wie häufig befinden wir uns – befindest DU dich – vor allem in der Vorweihnachtszeit in einer Art „Tunnel“, durch den wir wie ferngesteuert an hellen Lichtern vorbei rasen, die wir vor lauter Vorhaben gar nicht wahrnehmen können? Dabei hat es so viele Vorteile, für ein paar wenige Minuten auf dem (bildlich gesprochenen) „Standstreifen“ anzuhalten und sich ganz bewusst auf sein Umfeld einzulassen.

Den Geräuschen oder einer berührenden Unterhaltung (insgeheim) zu lauschen.

Den Duft des Kaffees zu inhalieren.

Die Wärme einer Teetasse in den Händen zu spüren.

Den Zimtgeschmack eines Plätzchens geschmacklich herauszufiltern.

Die folgende „3 – Dinge-Übung“ kann dir dabei helfen, mit mehr Ruhe und Achtsamkeit durch die Vorweihnachtszeit zu gelangen:

1. Setze oder stelle dich mit erhobenem Oberkörper hin. Fühle, wie deine Füße auf dem Boden stehen oder dein Gesäß die Stuhlfläche berührt.

2. Atme 5 Sekunden lang durch die Nase ein, halte den Atem für 5 Sekunden und atme dann 10 Sekunden lang aus.

3. Nun erforsche aufmerksam deine jetzige Umgebung:

Finde jeweils 3 Dinge, die du…

…siehst

…hörst

…riechst oder schmeckst

…fühlst.

4. Formuliere laut oder in Gedanken (falls du nicht gehört werden möchtest) einen Satz, der mit „Ich bin dankbar dafür,…“ beginnt.

Zum Beispiel:

„Ich bin dankbar dafür, …dass meine Augen gelbe Lichter an einem Tannenbaum, die Pelzmütze der Frau vor mir und die Tüte mit den verbrannten Maronen SEHEN können…“

„Ich bin dankbar dafür, …dass meine Ohren die laute Stimme von einem unzufriedenen Kind, das Bellen des Nachbarhundes und zum x-ten Mal „Last Christmas“ aus der Bluetooth-Box HÖREN können…“

„Ich bin dankbar dafür, …dass meine Füße Kälte, meine Hände das feuchte Moos, meine Lippen heißen Tee FÜHLEN können.“ usw.

Vielleicht gelingt es dir dadurch, innerlich gelassener und ruhiger zu werden, deine tief liegenden Wünsche und echten Bedürfnisse zu fühlen und das gute Gefühl der Dankbarkeit zu erfahren?

Ich wünsche dir eine WUNSCHLOS DANKBARE Vorweihnachtszeit!

Renate Schmitt 
Heilpraktikerin für Psychotherapie, Kunsttherapeutin und Sonderpädagogin 
Dezember 2023

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